Deutschland im Herbst

Deutschland im Herbst ist ein Lied der deutschen Band Böhse Onkelz, das erstmals am 4. Oktober 1994 auf dem Album Weiß (auch: Weißes Album) erschien.

Deutschland im Herbst
Böhse Onkelz

Veröffentlichung

4. Oktober 1993

Laufzeit

04:34

Textdichter

Komponist

  • Stephan Weidner

Besetzung

Album

1993

Weiß

1994

Gehasst, verdammt, vergöttert … die letzten Jahre

2001

gestern war heute noch morgen

2011

Lieder wie Orkane

2016

Böhse für’s Leben

Entstehung & HintergründeBearbeiten

Das Lied war eine Reaktion der Band auf die ausländerfeindlichen Übergriffe in Deutschland im Spätsommer und Herbst 1992, auch da sie sich zusehends durch die Berichterstattung der Medien in eine Ecke gedrängt fühlte. Es geht in dem Lied insbesondere um den im Intro des Lieds erwähnten mehrtägigen Angriff auf ein Asylbewerberheim in Rostock-Lichtenhagen. Der Titel des Lieds ist angelehnt an die Bezeichnung „Deutscher Herbst“, die allgemein für den Terror durch die RAF in Deutschland im Herbst 1977 verwendet wird, im Fall des Lieds wird der Begriff für den Terror durch Rechtsradikale verwendet.

Der Text des Lieds ist ziemlich eindeutig gegen Rechtsradikalismus und Fremdenfeindlichkeit gerichtet. In voller Länge lautet er:

Ich sehe alle gegen alle,
jeder gegen jeden.
Keine Achtung vor sich selbst,
keine Achtung vor dem Leben.
Ich sehe blinden Hass, blinde Wut,
feige Morde, Kinderblut.
Ich sehe braune Scheiße töten,
ich sehe Dich!

Refrain: Deutschland im Herbst (5x)

Ich höre weiße Geräusche,
rassenreine Lieder.
Ich höre hirnlose Parolen,
von Idioten und Verlierern!
Ich hör’ die Lügen der Regierung,
die Lüge eures Lebens.
Ich hör’ die Lüge über uns,
ich höre Dich!

Refrain: Deutschland im Herbst (5x)

– Songtext: Deutschland im Herbst, 1993 (Urheber: Stephan Weidner)

Zu Beginn des Lieds ist die Durchsage eines Nachrichtensprechers über die Ausschreitungen in Rostock-Lichtenhagen zu hören. Der Text lautet wie folgt:

„Rostock. Nach den gestrigen Ausschreitungen an der zentralen Anlaufstelle für Asylbewerber in Mecklenburg-Vorpommern lieferten sich auch heute rund 1.000 meist jugendliche Rechtsradikale Straßenschlachten mit der Polizei. Bei den zum Teil bürgerkriegsähnlichen Krawallen gingen die Randalierer mit Steinen, Flaschen und Feuerwerkskörpern gegen die Sicherheitskräfte vor. Mehr als 110 Beamte wurden zum Teil schwer verletzt. Die Rechtsradikalen, die aus dem ganzen Bundesgebiet anreisten, drangen in das Erdgeschoss des Asylantenwohnheims ein und steckten unter dem Beifall von rund 2.000 Schaulustigen Wohnungen in Brand. Die Polizei nahm 60 Personen fest. Das Ausland reagierte in Erinnerung an das nationalsozialistische Deutschland auf die anhaltenden Unruhen im Stadtteil Lichtenhagen mit Sorge über zunehmenden Fremdenhass.“

– Intro aus Deutschland im Herbst, 1993

Zitate der BandBearbeiten

Stephan Weidner: Das ist eine Reaktion unsererseits auf die Vorfälle im letzten Herbst. Für mich ein sehr wichtiges Lied, weil wir uns ganz klar von diesen Leuten abgrenzen wollen, also deutlich machen wollen, dass wir nicht mit den Rechten sympathisieren.“

Metal Hammer, 1993

Stephan Weidner: Die Vorfälle im letzten Jahr, Rostock, Mölln usw., sind an uns nicht spurlos vorbeigegangen. „Deutschland im Herbst“ ist unsere Reaktion auf diese Ausschreitungen, und die Wortwahl zeigt deutlich, was wir davon halten: Braune Scheiße, das sind diese Chaoten für mich, nicht mehr und nicht weniger.“

Rock Hard, 1993

Stephan Weidner: Der Herbst war ziemlich schlimm hier in Deutschland. Und du liest die Zeitungen und du liest irgendwas, was passierte, und ständig liest du deinen Namen bei all den Sachen. Du liest, dass Leute, die zu diesen Übergriffen gegangen sind, deine T-Shirts getragen haben. Es wird nicht gesagt, dass sie auch Motörhead-T-Shirts oder Slayer-T-Shirts oder sonstwas getragen haben, sondern man redet nur über uns. Also wollen wir, dass unsere Fans genau wissen, was wir über diese ganzen Sachen denken.“

– MTV, News, 1994

Stephan Weidner: [Mit „hirnlose Parolen von Idioten und Verlieren“ haben wir] bis zu einem gewissen Grad bestimmt [auch uns selbst in der Vergangenheit gemeint]. Nur haben wir nicht verloren, weil wir nicht verlieren wollten. Ein Verlierer ist jemand, der nicht nach Gewinn strebt, sondern in der Masse untergeht. Jemand, der nach Schwächeren tritt - das ist ein Idiot und Verlierer. Zum Beispiel jemand, der behauptet, dass ihm ein Ausländer seinen Job wegnimmt.“

– Metal Hammer, 1997

Stephan Weidner: Dass wir Deutschland im Herbst [in Wacken und bei anderen Konzerten] nicht gespielt haben, liegt einfach daran, dass die Produktion zu aufwändig ist. Das kann man mit einer Gitarre ohne Keyboard oder Samples live kaum spielen. Das ist der einzige Grund. Da gibt’s noch 20 andere Lieder, die ich gerne spielen würde, z. B. auch Worte der Freiheit, die sich von der Struktur her aber einfach nicht für Konzerte eignen.“

– Rock Hard, 1997

Stephan Weidner: [Mit „braune Scheiße“] sind schon Rechtsradikale gemeint [und nicht etwa, wie behauptet, „Braune, die Scheiße töten“]. Es gab ja nun mal diese Vorfälle, es gab diese Morde, meines Erachtens, und da gibt’s auch gar nix um den heißen Brei rumzureden. Wir ham' damit Nazis gemeint, und nicht, dass Braune irgendein Stück Scheiße töten, wie willst du denn ’n Stück Scheiße töten? (…) Sorry, Leute die solche Mittel anwenden sind für mich absolut verachtenswert. (…) In diesem Stück ging’s um die Vorfälle Rostock, Mölln, etc., und das wurd’ im Vorspann auch ganz klar dokumentiert. (…) Ziemlich eindeutig.“

– Radio Fritz, Blue Moon, 2000[1]

Böhse Onkelz: Nicht, weil es gefordert wurde, sondern weil wir es für nötig hielten. Rassismus ist eine aussterbende Ideologie und nur die Fassade einer jämmerlichen, kleinlichen Angst. Du bist dein eigener Feind, du stehst dir selbst im Weg. Tritt beiseite und ordne deine Gedanken.“

– Booklet zu Gestern war heute noch morgen, 2001

Stephan Weidner: Obwohl wir dieses Lied schon vor vielen, vielen Jahren geschrieben haben, verliert es leider nicht an Aktualität. Leider muss ich sagen, dass uns letztes Wochenende ein paar unschöne Nachrichten zugetragen wurden. Wir haben gehört von Leuten, die hier farbige Mitarbeiter der Bierstände usw. beschimpft, mit Münzen beworfen und gedisst haben. (…) Wir sehen es halt immer wieder, dass auch heute Menschen, die unsere Hilfe brauchen, (…) vor Asylantenheimen/Wohnheimen beschimpft werden und nicht willkommen geheißen werden. Ich muss ganz ehrlich sagen, (…) für diese Leute da draußen kann ich nichts, aber für die Leute hier auf dem Feld: Wenn ihr meint, das, diese Leute, dass farbige Mitarbeiter, Ausländer sich hier unwohl fühlen [sollen], dann möchten wir, dass ihr euch hier unwohl fühlt, ist das klar?
(…)
In unserem Leben ist kein Platz mehr für Rassismus und Gewalt und wer sich auf solch primitive Mittel berufen muss, der hat eigentlich schon verloren, denkt da mal d’rüber nach! Deutschland im Herbst!“

– Konzert Böhse für’s Leben Tag 3, 26. Juni 2015

Live-AufführungenBearbeiten

WeblinksBearbeiten

EinzelnachweiseBearbeiten