Keine Amnestie für MTV

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Keine Amnestie für MTV ist der Titel eines Lieds der deutschen Band Böhse Onkelz, das am 18. Februar 2002 erstmals als Single-Auskopplung Keine Amnestie für MTV und am 15. April 2002 auf dem Album Dopamin erschienen ist.

Keine Amnestie für MTV
Böhse Onkelz

Veröffentlichung

18. Februar 2002

Laufzeit

03:05

Textdichter

Komponist

Besetzung

Album

2002

Keine Amnestie für MTV (Single)

2002

Dopamin

2011

Lieder wie Orkane

Im Juli 2001 strahlte der Musiksender MTV ein MTV Master über die Band aus, in dem aus Bandsicht ein verzerrtes Bild gezeigt wurde. Unter anderem wurde kurz vor Abschluss der über ein Jahr andauernden Recherche der Redakteurin die Sendung entzogen und von jemand anderem weiter geleitet. Die Böhsen Onkelz beendet daraufhin die Zusammenarbeit mit MTV und schrieben ein Lied darüber. Das Wort Amnestie bedeutet „Vergebung“. Es wurde kein offizielles Musikvideo zu dem Song gedreht, weswegen auf MTV ein von dem Sender selbst zusammengeschnittenes Video mit Ausschnitten aus Musikvideos unter anderem einiger Boygroups lief.

Zitate der Band

Stephan Weidner: Nach dem Theater mit MTV ist es eine logische Konsequenz einen Song darüber zu schreiben. MTV haben sich so beschissen angestellt, dass wir uns unsere Wut darüber runterschreiben mussten. Damit ist die Sache für uns abgehakt. Ich finde den Song aber sehr gelungen, und es wäre natürlich schön, wenn er hoch chartet und sich einige Leute gehörig ärgern. Wir haben versucht, mit MTV zusammenzuarbeiten, und sie haben die Sache auf eine völlig inakzeptable Art und Weise verhauen. (…) Wir haben uns überreden lassen, nachdem wir uns durch alle Ebenen bei MTV rückversichert haben. Wir sind uns bewusst, dass das Onkelz-Thema kein leichtes ist, speziell für einen so großen Sender. Aber wir mussten uns auch nicht bei MTV platzieren. Wir wollten diese Chance nutzen, um vielen Leuten unser Beispiel vor Augen zu führen. Es ging nicht darum, den ganzen Scheiß, den wir gebaut haben, unter den Tisch fallen zu lassen, sondern die ganze Historie zu beleuchten: Dass da vier Typen sind, die sich innerhalb einer langen Zeit verändert haben. Für manche Leute hätte das ein Fingerzeig sein können. So nach dem Motto „Ich kann das auch schaffen“.“

– Aus einem Interview im Rock Hard, 2002

Stephan Weidner: Wir haben endgültig die Schnauze voll! Aber ich bin auf eine gewisse Art auch dankbar für diese Entwicklung, denn sie hat uns auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt. Wir wissen jetzt wieder, wo wir stehen. (…) MTV sind von sich auf aus uns zugekommen und haben sich nach einer Zusammenarbeit erkundigt. Es war nicht unsere Idee und auf keinen Fall der Versuch, noch mehr Fans zu rekrutieren. Ich denke, wir sind diesbezüglich in einer glänzenden Position und haben so etwas nicht nötig. Der Grundgedanke, der uns veranlasst hatte, über die Unterstützung eines MTV-Beitrags nachzudenken, war die Tatsache, dass es in Zeiten von Polarisierungen und primitiver Meinungsmache wichtig ist, eine Geschichte wie die der Onkelz als Vorbild für andere Menschen aufzuzeigen. Es gibt einen Weg aus der Scheiße, jeder hat die Möglichkeit, sich jederzeit neu zu entscheiden und dann auch eine faire Chance zu bekommen. Wir wollten versuchen, nicht weiter nur auf unsere Vergangenheit reduziert zu werden. Das alles war mit MTV bis in den höchsten Gremien besprochen. Was mich dann letztendlich enttäuscht hat, ist der komplette Rückzug aus der angedachten Idee und ein Beitrag, der nichts mit dem zu tun hatte, was ursprünglich an Annäherung stattgefunden hatte. Kurz: Es ist das Mieseste, was mir jemals passiert ist. (…) Wir brauchen diese Leute nicht. Zu MTV waren zwar nicht gerade Freundschaften, aber immerhin gute Beziehungen gewachsen. Man freute sich, wenn man sich begegnete, was ja im Falle meiner Person nicht unbedingt an der Tagesordnung ist. Gerade deswegen war ich so enttäuscht, zumal MTV mit irgendwelchen fadenscheinigen Aussagen den Sachverhalt zu erklären versucht hat. Für uns ist die Sache ein für alle Mal abgehakt, wir rücken zukünftig für solche Leute nicht einmal mehr Pressekarten unserer Konzerte raus. Wenn die uns sehen wollen, sollen sie sich ganz regulär Tickets kaufen. Zu Viva gibt es ja sowieso schon seit vielen Jahren keinerlei Form von Annäherung. Das Ding ist durch.“

– Aus einem Interview im EMP-Magazin, 2002

Stephan Weidner: Es fand viel Kommunikation statt – das war ja das Enttäuschende!
Matthias Röhr: Ich habe den Leuten nie vertraut!
Stephan Weidner: Stimmt, Gonzo (Anm.: Matthias Röhr) war von Anfang an dagegen. Ich nicht – und ich habe mich geirrt. Dem Druck des Kapitals wurde nicht Stand gehalten. Für mich ein klassischer Fall von Eierlosigkeit. Die Verantwortlichen haben sich nicht getraut, einen positiv ausgefallenen Bericht über die Onkelz zu senden. Wir wollten nur eine faire Sendung haben – das ist wohl nicht zuviel verlangt. Die MTV-Redakteurin hätte als Iranerin allen Grund gehabt, uns in die Pfanne zu hauen, wenn sie irgendetwas Rechtsradikales bei uns oder unseren Fans entdeckt hätte. Diese Redakteurin begleitete uns über ein Jahr lang – und wurde zwei Tage vor der Sendung abgesetzt. Das Ganze geriet zur Farce. Was mich am meisten ärgert, ist die verschwendete Energie. Wir wollten anhand unseres Werdegangs ein Beispiel geben und den Kids Entwicklungsmöglichkeiten aufzeigen. Diese Chance wurde vertan. Die Frustration ist sehr schnell in Wut umgeschlagen. Das hat sich auf das Album positiv ausgewirkt. Wir wissen wieder genau, woran wir sind. Wie konnten wir – mit Ausnahme von Gonzo – so blind sein, diesen Pennern zu vertrauen? Die gehören zum Establishment und haben mit uns nichts zu tun. Das holte uns auf den Boden der Tatsachen zurück – eigentlich müssten wir den Leuten sogar dankbar sein! Wir sollten uns auf uns selbst besinnen: Wir haben keine Lobby – aber das hielt uns nicht davon ab, dahin zu kommen, wo wir heute stehen.“

– Aus einem Interview im Metal Hammer, 2002

Böhse Onkelz: Ist das Fernsehen ein Spiegelbild der Gesellschaft? Wenn dem so ist, dann steht es schlecht um uns. Die Realität imitiert inzwischen das Fernsehen, und dieser Zustand ist bedenklich. Die Sender bestimmen, gelenkt von finanziellen Interessen, was wir zu hören, wie wir uns zu kleiden und zu verhalten haben. Eine schleichende Indoktrination, die mit Hilfe von geschickten Marketingstrategien aus jedem aufgeweckten Menschen früher oder später einen gleichgeschalteten, denkfaulen und konsumgeilen Zombie macht. Auch und gerade die Musik- und Modeindustrie investiert Millionen in diesen Markt und macht sich mitschuldig an der geistigen Verarmung unserer Gesellschaft. Wie viel Sympathie also kann man für die Medien empfinden? Wie viel Sympathie kann man für etwas empfinden, das sich einer Lüge verschrieben hat, sich an sie kuschelt und ihr den Arsch küsst? Unsere einzige Funktion besteht mittlerweile darin, zu essen, zu scheißen und Fernsehen zu gucken. Man hat sich mit Abhängigkeiten umgeben, die keine ehrliche Meinung mehr zulassen. Diese kontinuierliche Verblödung und Verdummung ist ein schleichender Prozess und das Ausmaß hat groteske Dimensionen angenommen. Unsere Gesellschaft fürchtet sich mittlerweile vor allem, was nicht einfach stillsitzt und für ein offizielles Portrait ihrer Realität posiert.“

– Flashcard Dopamin, 2002

Stephan Weidner: Ich verspreche euch heute, an meinem Geburtstag, dass wir mit diesen ganzen Flachwichsern von MTV und Viva nie mehr ein Wort sprechen werden.“

– Konzert Mannheim, Tour 2002

Stephan Weidner: Ich kann euch jetzt und hier versprechen, dass diese Penner uns bis an unser Lebensende am Arsch lecken können. Eierlose, verlogene Schweine.“

– Konzert Dortmund, Tour 2002

Stephan Weidner: Niemand sonst hätte einen Song wie „Keine Amnestie für MTV“ machen können, weil alle so stark von diesen ganzen Musiksendern abhängig sind. Sie würden ihre Karriere riskieren. Für mich war’s aber das richtige Statement zur richtigen Zeit. Man muss dazu wissen, dass MTV fast unsere Füße geküsst hat, damit wir mit ihnen ein Special machen. Wir haben mit allen wichtigen Programmdirektoren gesprochen, um sicherzustellen, dass sie alle hinter dem Projekt standen. Wir haben sie nicht gebraucht, wir hatten allen Erfolg den man sich vorstellen kann. Alles was wir wollten, war, ein Beispiel zu geben, dass es einen Ausweg aus allem gibt. Dass alles möglich ist, und dass man nicht lügen und sich verbiegen muss. Sondern dass du bist was du bist, und du lernen und wachsen musst, und etwas tun musst, auf das du stolz sein kannst. Aber schließlich haben sie’s wieder mal verschissen, und deswegen verdienen sie jedes Wort dieses Liedes. Das es auf Nummer Eins (Anm.: korrekt: Zwei) der deutschen Single-Charts kletterte, war unsere kleine Rache. Natürlich haben sie’s nicht gespielt. In jenen Wochen endeten die Chartsendungen mit Nummer zwei. Lustig, nicht?“

– Radio Goethe, 2003

Stephan Weidner: Das Lied widmen wir all diesen Cast- und Boybands da draußen, all diesen Alexen und Superstars und wie diese ganzen Wichser alle heißen, und all diesen käuflichen Fernsehsendern da draußen. Fickt euch!“

– Konzert Hannover, Tour 2003

Stephan Weidner: Das Lied widmen wir all den gecasteten Boybands da draußen, all den Daniels und Alex’ und all diesen kleinen Pissern und Strichern da draußen! Ich frag mich, wie doof die Nation sein kann – guckt sich die ganze Zeit die Scheiße im Fernsehen an und kauft dann den Dreck auch noch! Also, besser verarschen kann man wirklich niemand mehr! Schönen Gruß an unsere Fernsehlandschaft.“

– Konzert Nürnberg, Tour 2003

Stephan Weidner: Ich denk mal, diesen Wichsern von der Industrie ham’ wir gezeigt, dass die Onkelz und ihr sie nicht brauchen.“

– Konzert Loreley (Freitag), 18. Juli 2003

Stephan Weidner: Das Lied widmen wir all diesen gecasteten Boybands da draußen, all diesen abgefuckten Superstars und Dieter Bohlens, und dem ganzen Medienhype da draußen.
(…)
Ich denk mal, ausverkaufte Rockkonzerte zeigen ganz deutlich, dass wir diesen ganzen Medienhype nicht brauchen, und das wir diese ganzen Fuck-Videos und diese ganzen Fuck-MTV und Viva und wie sie alle heißen, einfach da stehen lassen können wo sie sind.“

– Konzert Hannover (als Support-Act bei den Rolling Stones), 2003

Kevin Russell: Ein Schlag ins Gesicht für die Leute von MTV. Ein Highlight der Onkelz.“

– Aus einem Interview im Rock Hard, 2005

Matthias Röhr: Einer meiner All-Time-Faves. (…) Die Message von „Keine Amnestie für MTV“ ist mir immer noch eine Herzensangelegenheit. Der Song wird nie an Aktualität verlieren. Dabei steht MTV ja bloß als Symbol für die ganzen Verarschungssender, wie immer die auch heißen mögen. Kein normaler Mensch hätte sich je vorstellen können, was ein Haufen peinlich billiger Idioten, denen nichts zu bescheuert ist, so alles auf die Beine stellen kann. Das ist genau die biedere Mentalität, die Provinzialität und Einstellung, die in hudertprozentigem Gegensatz zu allem steht, an was ich glaube. Der tägliche Müll, der da verzapft wird, sollte mit einer Sondersteuer belegt werden. Einfach grausam.“

Trivia

  • Laut dem Booklet der Single wurde das Lied von den „Resetti-Brothers“ abgemischt, namentlich Jörg Umbreit und Vincent Sorg, diese arbeiteten unter anderem auch für die deutsche Band Sub7even, die bei den Böhsen Onkelz auch schon Vorband waren.

Live-Aufführungen

Vorlage:Live gespielt

Weblinks

Einzelnachweise